TIERE ALS BEGLEITER

Unsere Ziegen
 Unser neues Projekt: Ziegen an de wisen!
 Die erste Woche mit den Ziegen
 Begegnungstisch und Futterluken sind fertig
 Nun sind sie schon einen Monat da
 Unser Alltag bei Wind und Wetter
 Die zweite Generation und wie es dazu kam
 
 Teamwork vom Feinsten
 Ziele erreicht!
Unsere Hunde
 Nun sind wir die vier Musketiere!
 Unser Alltag
 Lebens-Begleitung bis zuletzt
 Seite an Seite
  Anette Bull
  Diplom-Sozialpädagogin
 
  Home
 
  Bilder sagen mehr...
  Themenübersicht
  Häufig gestellte Fragen
  Bewegende Momente
  Referenzen
 
  Arbeitsweise
  Lebens-Begleitung
  Therapiebegleitung
  Therapie mit Tieren
  Tiere in Institutionen
  Tiere zuhause
  Aus-/Fortbildung
  AAAT
 
  Zur Person
  Zu den Tieren
  Infos/Veranstaltungen
  Literatur-Tipps
  Presse/Studien
  Kontakt/Impressum

Nun sind unsere Ziegen schon einen Monat bei uns

Wolke, unser Sorgenkind
Wolke, unser Sorgenkind
Wolke
Wolke
Becki
Becki
Susi
Susi
Die drei...
Die drei...
...flotten Damen
...flotten Damen
Pünktchen
Pünktchen
Wiederkäuzeit - sie ruhen mit dem Bewohner zusammen
Wiederkäuzeit - sie ruhen mit dem Bewohner zusammen
Begegnung auf Augenhöhe
Begegnung auf Augenhöhe
so kann man besser füttern: eine weitere Möglichkeit auf Augenhöhe
so kann man besser füttern: eine weitere Möglichkeit auf Augenhöhe
Zwiegespräch
v
Hab noch Hunger!
Hab noch Hunger!
Herr Sch. mit seinem Doppelflaschenhalter
Herr Sch. mit seinem Doppelflaschenhalter
...und wie das klappt!
...und wie das klappt!
Fleißiger Helfer!
Fleißiger Helfer!
Äste schneiden für die Ziegen
Äste schneiden für die Ziegen
Sie sind ja schon noch winzig!
Sie sind ja schon noch winzig!
die Schmusigste von allen...
die Schmusigste von allen...
Sie sind Kinder gewöhnt!
Sie sind Kinder gewöhnt!
Die Herde hat sich verändert: Das Muttertier hat seine Dienste erfüllt und sorgt nun beim Bauern für weiteren Nachwuchs. Dafür konnte ich vom gleichen Bauern nun doch noch ein Weibchen bekommen, auch ein Flaschenkind und sehr menschenbezogen, aber etwas gesundheitlich angeschlagen. Dies und die Tatsache, dass sie nun die rangniedrigste ist und öfter mal vom Futter weggeboxt wird von den anderen, hat ihr sofort größte Sympathien und viel Aufmerksamkeit bei den Bewohnern eingebracht. Wir werden sie sogar operieren lassen, weil sie so kontaktfreudig und zahm ist, dass ich sie wegen eines kleinen Fehlers (Entropium: eingedrehtes Augenlid) nicht schlachten lassen möchte, dafür ist sie einfach zu schade! Das ist eben der Unterschied zwischen Nutztieren und Beziehungstieren…

Die Ziegen haben Namen bekommen, die von den Bewohnern vorgeschlagen und dann in einer Abstimmung demokratisch gewählt wurden: Becki, Susi und Pünktchen. Wolke ist ja nun nachgekommen und hatte ihren Namen schon. Die Flaschenkinder sind abgesetzt und Herr Sch. füttert nun noch zweimal am Tag Kraftfutter und Gemüse, vor allem am Wochenende gibt es ja kaum Leckerli. Der Begegnungstisch, die Türen, Fensterläden und die Futterluken sind fertig gebaut. Ich kann also nun auch für kontrollierte und ruhige Begegnungen die Tiere trennen und mal einzeln oder nur zu zweit einsetzen.

Wir erleben gemeinsam mit den Bewohnern intensive Momente unterschiedlichster Qualität – aber alle sind sie durch die Ziegen direkt ausgelöst oder eben durch die Begegnung mit dem »Milieu« Stall, Tiergehege, Park mit Tieren, durch die vorhandenen Materialien und Werkzeuge, die Gerüche nach Mist und Heu und Körnern usw. Wichtig ist: es passiert immer etwas! Wir könnten nun die ganzen schönen Fachbegriffe zuordnen, die u.a. vorher in dem Projektantrag als Ziele formuliert waren. »Aktivierung«, »Stimulation«, »Förderung der Mobilität«, »Ressourcenerhalt«, »Förderung des Altgedächtnisses«, »Erinnerungsarbeit«, »Biografiarbeit«, »Milieugestaltung« uvm. Aber ich möchte an dieser Stelle nicht fachsimpeln, sondern lieber Geschichten erzählen und Bilder sprechen lassen. Das fachliche Zuordnen der Geschichten könnt Ihr ja selbst tun ;-)

Es gibt »einfache« und kurze Begegnungen, bei denen jemand gerne raus geht, mal mit zu den Ziegen kommt, sie füttert und dann wieder weiter möchte. Es gibt regelmäßige »Arbeitseinsätze« für Bewohner, die sich gerne einbringen und dann ihr Werk begutachten und sagen: »So sauber wird's eben, wenn man was schafft!« Es ergeben sich begleitete »Trauer«-Gespräche, bei denen der Bewohner ein Tier auf dem Schoß hat und dabei an seine verstorbene Frau denkt. Es ergeben sich auch lange Einzelgespräche, bei denen Erinnerungen an früher hochkommen, die nicht alle schön und positiv waren, aber bei denen Tiere eine große Rolle spielten, z.B. dass man die Kaninchen eben gern hatte, aber sie trotzdem geschlachtet wurden oder die Mutter geschimpft hat, wenn man als Kind die Ferkelchen rumschleppte und dann stank wie sie… Und es geht darum, dass man immer schon »was Kleines«, liebte aber dann leider kinderlos blieb, was für ein Leben das dann – ohne eigene Kinder – war, und wie schön es war, Tiere liebhaben zu können, und das sogar noch heute zu können, hier im Pflegeheim! In Gruppen sind die Gespräche allgemeiner, fröhlicher meist und von leichtem gegenseitigem Rangeln um die lauteste Stimme oder die interessanteste Geschichte geprägt. Aber alles dreht sich irgendwie um die Ziegen oder um Tiere. Müsste ich nicht so sehr auf Diskretion bei der Auswahl der Fotos achten, würde man folgende Szenen hier abgebildet sehen:

— Am Gehegezaun außen stehen mehrere kleine Gruppen von Bewohnern mit ihren Besuchern und schauen zu, was drinnen geschieht. Sie werden gefragt, ob sie reinkommen wollen, lehnen aber ab, vielleicht weil sie den Weg weitergehen wollen, vielleicht weil es genug von außen zu sehen gibt, vielleicht weil sie finden, es sei schon voll genug im Gehege. Ja, es ist voll: Innen sitzen Bewohner auf den vorhandenen Bänken und Stühlen, einige sind im Rollstuhl dabei. Bei den meisten hockt oder sitzt ein Betreuer oder Angehöriger. Immer wieder zeigt jemand auf eine der kleinen Ziegen, man sieht die Menschen jeden Alters lächeln, sich wundern, laut loslachen, wenn eine der Kleinen ihre Kapriolen schlägt. (Wusstet Ihr, dass das Wort »Kapriolen« von dem Wort Capra hircus = Hausziege her stammt? Eine österreichische Kollegin hat es mir erzählt. Gerade die Jungtiere oder auch brünftige Ziegen zeigen diese lustigen Sprünge, bei denen sie sich in der Luft drehen!) — Einzelne Besucher haben Karottenstückchen oder Heupellets in der Hand, die Ziegen laufen von einem zum nächsten und schauen, wo es das Leckerste zu erhaschen gibt. Die Kleinen werden zurückgeschubst, wenn sie anspringen, denn das sollen sie sich abgewöhnen. Leckerli gibt's nur, wenn sie auf die erhöhten »Kontakt-Stellen« kommen wie Bank, Stuhl, Tisch oder eben mit allen vieren auf dem Boden. Sie bewegen sich wie selbstverständlich zwischen den Menschen und Rollstühlen, hüpfen hier mal auf eine freie Stelle an der Bank, dort mal auf den Baumstamm, der für sie da liegt. — Wenn sie nicht mehr hungrig sind oder einfach müde werden, immerhin sind es noch »Kleinkinder«, legen sie sich mitten zwischen die Menschen oder auf den Tisch vor dem Stall, um zu ruhen. Ich erlaube es momentan auch noch, die Kleinen auf den Schoss eines Bewohners zu heben, wo sie sich dann einkuscheln und schlafen.

Wir würden auf diesen Fotos lächelnde Menschen sehen, solche, die sich unterhalten und gegenseitig etwas zeigen, solche, die sich gegenseitig etwas zum Füttern reichen. Wir würden sehen, wie sich Menschen bemühen, die Arme auszustrecken, um an die Tiere zu reichen, um sie zu streicheln oder zu kratzen. Hätten wir nicht nur Fotos, sondern sogar einen ganzen Film, so könnten wir hören, wie sie sich über die Kleinen unterhalten, alles genau beobachten und kommentieren. Wir würden aber auch Geschichten von früher hören, wie z.B. die folgenden:

— Eine Familie im Dorf bei Frau H. hatte ein Kind, das immer kränklich war und nicht gedeihen wollte. Der Arzt sagte, sie sollten die Kuh abschaffen und stattdessen zwei Ziegen holen und alle nur noch Ziegenmilch trinken. Und siehe da, fortan gedieh das Kind prächtig wie auch alle anderen Mitglieder der Familie mit den Ziegen! Wofür Ziegen nur alles gut sind, jawoll! — Wir würden auch hören, wie groß die Angst der Frau B. vor dem Bock des Nachbarn war, der einen bösartig von hinten anstieß, wenn man nicht aufpasste, und der die Kinder umhaute, der Bösewicht! Aber unsere werden ja schließlich gut erzogen (»Du machst sowas nicht, meine kleine, gell?«). — Wir würden sehen, wie Herr M. mir stolz einen Eimer mit geschnittenen Möhren überreicht: »Das hab ich schonmal fertig gemacht für die Fütterung heute Abend. Sie sind extra klein, damit sie sie gut kauen können!« — Zwei ältere Herren, die ihre Frauen besuchen, würde man bei einem Gespräch über das Bauen eines Stalles und die Geheimnisse beim Abdichten eines Daches belauschen können. Beide berichten sich, was sie schon alles in ihrem Leben für ihre Tiere gebaut haben. — Ein Herr säße in unserem Film ziemlich abseits, Pünktchen auf der Bank neben ihm, die nun wirklich eine Pause braucht; er streichelt sie und erzählt ihr, dass seine Frau sie auch gerne gehabt hätte, dass sie alle Tiere liebte und immer alles zuhause angeschleppt hat, und er musste dann die Ställe bauen. Dass er so froh wäre, wenn sie das noch erleben könnte, aber vielleicht würde sie ja zuschauen von da oben, wo sie jetzt sei. Dabei laufen ihm ein paar Tränen aus den Augen und wir lassen ihn dabei in Ruhe, aber er ist nicht allein…

Wenn man von oben auf diese Szenen schauen würde, könnte man viele Menschen sehen, die sich miteinander befassen, die sich mit den Tieren befassen; solche die gehen, stehen, die etwas tun, solche, die sich unterhalten, lachen, zuschauen, oder solche, die da sitzen und vielleicht träumen… Man würde die Tiere manchmal kaum erkennen können zwischen den vielen Leuten, aber wenn, dann immer nah an den Menschen dran. Irgendwie wirkt die ganze Szene so – lebendig!

Wie schade, dass ich davon keine Bilder zeigen darf. Aber ich musste es doch wenigstens erzählen, wie lebendig es bei uns zugeht!